Von Titanenwurz bis Riesen-Seerose, von Kakao bis Tee: die Geschichte der Botanischen Gärten und der wissenschaftlichen Erforschung der Pflanzenwelt ist eng mit der Kolonialzeit verbunden, auch wenn dieser historische Aspekt heute fast vergessen scheint. Aus diesem Grund luden die Botanischen Gärten am 20. Juli zu einer Führung zum Thema "Koloniale Spuren in den Gärten" mit einer daran anschließenden Diskussion ein. Ergänzend dazu war die Impulsausstellung "Wie erinnern?" der Stadt Bonn, die die Erinnerung an Straßennamen aus der NS-Zeit und an koloniale Spuren in der Stadt thematisiert, bis zum 24. Juli in den Botanischen Gärten zu sehen. Die Ausstellung ist inzwischen zur nächsten Station in Bonn weitergezogen und ist aktuell (noch bis zum 10. Oktober) in der Bezirksbibliothek Bad Godesberg zu sehen.
Die Gartenführung war mit rund 100 Interessierten sehr gut besucht. Cornelia Löhne, wissenschaftliche Leiterin der Botanischen Gärten, und Karin Ladenburger aus dem Team der Grünen Schule stellten bei den Rundgängen durch Schloss- und Nutzpflanzengarten einige Pflanzenbeispiele vor, die die Geschichte der "botanischen Entdeckungen" und deren Zusammenhang mit dem Kolonialismus illustrierten. Auch wenn die Pflanzen, die aktuell in den Gärten kultiviert werden, jüngeren Ursprungs sind, so lässt sich an den Pflanzenarten doch sehr gut die Kolonialgeschichte erzählen. So lässt sich zum Beispiel bei der bekannten und beliebten Titanenwurz ein direkter Bezug finden: Die erste Pflanze wurde 1934 von Max Koernicke aus Indonesien nach Bonn gebracht. Der Bonner Botaniker reiste im Laufe seines Forscherlebens mehrfach ins damalige "Niederländisch-Indien" und finanzierte seine Reisen unter anderem mit einem Stipendium des Reichskolonialamts. In späteren Publikationen und Vorträgen sprach sich Koernicke auch dafür aus, dass das damalige Deutschland neue koloniale Gebiete erschließen solle.
In der anschließenden Diskussion sprach Cornelia Löhne mit Anna Verwey und Paulina Saerbeck von der Gruppe Bonn Postkolonial, es modierierte Alma Hannig (Historikerin und Sammlungskoordinatorin der Universität Bonn). Dabei erläuterten die Akteurinnen auch ihre persönliche Motivation sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Wichtig war allen, dass es beim Thema Kolonialismus nicht nur um die Vergangenheit geht, sondern dass die Auswirkungen der Kolonialzeit bis heute relevant sind. Wer sich zum Beispiel mit der kolonialen Geschichte der Kakao- und Kaffeeplantagen auseinandersetzt, muss ich auch über die heutigen Anbaubedingungen dieser Pflanzen und den Preis, den wir für Kaffee und Kakao zahlen, Gedanken machen. Viele globalgesellschaftliche Probleme der Gegenwart sind im Kolonialismus verwurzelt. Botanische Gärten spielten genauso wie viele andere Organisationen und Institutionen in Europa eine Rolle darin. Die Aufarbeitung dieser historischen Rolle hat sich auch der Verband Botanischer Gärten (Dachorganisation der Botanischen Gärten in deutschsprachigen Ländern) zur Aufgabe gemacht, wie ein Positionspapier klarstellt.
Die Bezüge zwischen Kolonialismus und Botanischen Gärten sollen auch in zukünftigen Veranstaltungen und Bildungsangeboten thematisiert werden – schließlich sind Botanische Gärten nicht nur grüne Erholungsorte, sondern auch ideale Bildungsorte für politische Themen rund um die Pflanzenwelt. Dies zeigte zum Beispiel auch das Verbundprojekt "Die politische Pflanze", an dem die Bonner Botanischen Gärten mitgewirkt hatten.
Die Botanischen Gärten der Universität und Bonn Postkolonial werden weiter zusammenarbeiten. Außerdem war die aktuelle Veranstaltung auch ein Auftakt für die weitere Vernetzung innerhalb der Universität Bonn. Insbesondere im Transdisziplinären Forschungsbereich "Present Pasts" gibt es bereits Forschungsansätze und Lehrveranstaltungen rund um das Thema Kolonialismus, in die die Botanischen Gärten als ein Museum mit einer lebendigen Sammlung in Zukunft einbezogen werden sollen.